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Max Liebling Haus - Die "Weisse Stadt" Tel Aviv

  • Autorenbild: Doris Shneydor
    Doris Shneydor
  • 4. Feb. 2021
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 2. Okt. 2021

Wer sich für den Internationalen Stil in Tel Aviv sowie die Entwicklung der verschiedenen

Architekturstile in der Stadt interessiert, der ist herzlich eingeladen, das erst vor kurzem

eröffnete „White City Center“ im Max-Liebling Haus, in der Idelson Street 29 in Tel Aviv zu

besuchen.


Im Jahre 2019 wurde das White City Center anlässlich des 100-jährigen Gründungsjubiläums

der deutschen Bauhaus-Schule für Architektur, Kunst und Design, eröffnet. Das ehemalige Max-Liebling-Wohnhaus wurde im Internationalen Stil (oft auch als Bauhaus-Stil bezeichnet) gebaut. Dieses vom

Architekten Dov Karmi und Zvi Barak im Jahre 1936 errichtete Haus, wurde nun zum White

City Center umgebaut – und in einen lebendigen israelisch-deutschen Diskussionsort

verwandelt. Die deutsche Regierung unterstützt mit dem Projekt „Zentrum Weiße Stadt Tel

Aviv“ den Aufbau und die Führung dieses Zentrums für denkmalgerechtes Bauen und

Sanieren und unterstreicht damit die gemeinsame historische und baukulturelle Bedeutung

der Weißen Stadt für Deutschland und Israel.

Die in Denkmalpflege spezialisierte Architektin Ada Karmi-Melamede (Dov Karmis Tochter) und ihre Schwägerin Rivka Karmi besorgten die fachgerechte Restaurierung, deren Qualität in der israelischen

Denkmalpflege heraussticht.


Das White City Center ist heute ein Kompetenzzentrum für Architektur, Stadtentwicklung

und Denkmalpflege. Künstler, Architekten und Stadtplaner arbeiten hier auch an Konzepten

für die Vitalisierung des Viertels, d.h. dem engen Austausch mit den Bewohnern des

umliegenden Viertels. Es geht hier nicht nur um Erhaltung der alten Bausubstanz, sondern

auch um menschliche Beziehungen, um Schulung und behutsame Weiterentwicklung der

Stadt. Es werden hier im White City Center nicht nur Führungen durchgeführt und Ausstellungen veranstaltet, sondern auch Kurse in Kunsthandwerk für die hier lebenden Menschen angeboten.


Die über 4.000 Gebäude in Tel Aviv, die überwiegend im Bauhaus- und Internationalen Stil

errichtet wurden, werden als die „weiße Stadt“ bezeichnet. Dieser neue Architekturstil der

Moderne traf in Israel in den 1930er Jahren genau den Zeitgeist: weg mit den Schnörkeln des

Jugendstils, weg von repräsentativen Bauten, hin zu funktionalem und erschwinglichem

Wohnraum. Die Leitidee des Bauhauses "form follows function" wurde in Tel Aviv konsequent

umgesetzt. Seit 2003 gilt die Weiße Stadt von Tel Aviv als UNESCO-Welterbe.


Unter den Architekten der Gebäude der „Weißen Stadt“ waren sehr viele deutschstämmige Juden

und Juden aus Osteuropa, die nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Jahr

1933 aus Deutschland und anderen Teilen Europas nach Palästina auswanderten.


Mit der Machtergreifung der Nazis in Deutschland im Jahre 1933 emigrierten viele deutsche

Juden ins vorstaatliche Israel, das damalige britische Mandatsgebiet Palästina. Im selben Jahr

wurde ein höchst umstrittenes Transferabkommen (hebräisch „Ha’avara“-Abkommen)

zwischen einigen zionistischen Organisationen und Nazideutschland geschlossen, um

möglichst vielen Juden die Emigration nach Palästina zu ermöglichen. Durch dieses

Abkommen wurde vielen deutschen Juden ermöglicht, zumindest einen Teil ihres

Vermögens zwar nicht in Bargeld, aber in Naturalien (Waren deutscher Herkunft)

auszuführen. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gelangten im Rahmen dieses

Abkommens auch deutsche Baustoffe in Millionenhöhe nach Palästina, was Zehntausenden

deutscher Juden die Emigration nach Palästina erleichterte. Diese Waren halfen darüber

hinaus auch beim Aufbau des Landes. Sie wurden oft auch für den Bau von Häusern im Stil

der Moderne in Tel Aviv, der sog. „White City“, verwendet.


Auch hier am Beispiel des Liebling Haus – The White City Center können wir heute noch die

Spuren des Ha’avara-Abkommens erkennen. Während der Renovierung des Gebäudes

wurde besonders beachtet, die originalen Materialien (Stiegenhäuser, Glasfenster, Kacheln,

Armaturen, Wandfarben, etc.) zu erhalten und so die Geschichte des Ha´avara Abkommens

auch optisch zu verdeutlichen.

Dieses Haus wurde ursprünglich für den Immobilienkaufmann Max und seine Frau Tony

Liebling errichtet. Tony Liebling wohnte hier bis zu ihrem Tod im Jahre 1963 und hinterließ

das Haus dann der Stadt Tel Aviv mit dem Anliegen, hier ein Museum, ein Kinderheim oder

ein Studentenwohnheim zu errichten. Das Gebäude beherbergte im Laufe der Zeit auch drei

prominente Ärzte, die aus Europa emigriert waren.


Die Dauerausstellung im Parterre führt chronologisch durch die Geschichte der Weißen Stadt

aus dem Blickwinkel eines Architekten. Im 2. Stock ist die vordere Vierzimmer-Wohnung, wo

einst die Familie Scheuer wohnte, in originaler Raumstruktur als Modellbeispiel damaliger

Möblierungen in der Weißen Stadt eingerichtet, mit gut erhaltener Küche und Bad mit

originalen Fliesen, Armaturen und in den Wohnräumen teils sogar Möbeln. In die modernen

Häuser zogen damals viele deutsche Einwanderer mit ihrem mitgebrachten Mobiliar, und

bewahrten auf diese Art ein Stück gerettetes Heim in der neuen Heimat Palästina.

Die hintere Wohnung im zweiten Stock, einst jene der Hauseigentümer, dient als Raum für

wechselnde Ausstellungen.


Durch die Einbeziehung der Familien, die einst im Hause wohnten, kamen viele Originale,

auch persönliche Gegenstände aus privaten Beständen oder Kopien von Fotos in die Sammlung des

Museums. Darunter befinden sich unter anderem auch Reagenzgläser für Urinproben aus der

Frauenklinik von Prof. Dr. Joseph Aschermann im ersten Stock, wo auch eine funktionale

„Frankfurter Küche“ fast vollständig erhalten blieb. Der Gynäkologe Dr. Ashermann wurde

auf Grund seiner Entdeckung, des sogenannten Ashermann-Syndroms weltbekannt.


Das Max-Liebling Haus ist eines von insgesamt 190 Gebäuden, die von der UNESCO mit

strengsten Denkmalschutzauflagen belegt wurden. Dieses Haus ist heute die zentrale

Anlaufstelle für alle Belange und Fragen rund um dieses UNESCO Weltkulturerbe.

Das Max-Liebling Haus ist nach allen Regeln des Internationalen Stils gebaut. Der

freistehende Baukörper ist auf dem Grundstück perfekt platziert , sodass die Meeresbrise

vom Westen ihre maximal kühlende Wirkung im Haus zeigt. Die Anordnung der Fenster und

die Gestaltung des Grundrisses fördert den Luftstrom, der die Wohnräume kühlt. Die langen

und schmalen Balkone der Fassade – eine lokale Adaptierung der typischen „Bandfenster“ des

schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier – fungieren als eine Art zweite Hülle des

Hauses, die die dahinter liegenden Wohnräume beschatten. Ebenfalls erzeugen die genau

übereinander angeordneten Balkone genügend Schatten für das darunterliegende Stockwerk, was im heißen Klima Tel Avivs extrem wichtig ist. Das Haus hat weißen Verputz, da die weiße Farbe die starke Sonneneinstrahlung am effektivsten reflektiert und daher am besten für Häuser in heißen Regionen geeignet ist. Darüber hinaus hat das Haus typischerweise ein Flachdach, welches als weiterer Lebensraum für die Hausbewohner gedacht ist. Hier oben am Dach kann man die kühle Meeresbrise besonders in den Abendstunden genießen.




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